Herzlich Willkommen

Hallo zusammen,
hier ist er nun, der STÜBA-Blog. Wir nehmen euch mit auf unsere Reise.

Es wird für uns überwältigend intensiv. Musikalische Glanzleistungen wechseln sich mit spassig, emotional und packenden Momenten ab...
und nebenbei entsteht auch noch der Dokumentarfilm "TRI.sonanz" über die Menschen in Bosnien und unsere Tour.


Sonntag, 9. Oktober 2011

Mittwoch, 21.09.2011 – Das letzte Konzert

Es war soweit, der letzte Tag in Bosnien-Herzegowina war angebrochen. Ihn ganz und gar der Musik zu widmen, dem, was uns hierhergeführt hat, was uns die ganze Fahrt über begleitete und was uns alle – ob Bosnier oder Deutsche, ob Orchestermusiker oder Crew – verband, scheint im Nachhinein das Mindeste, wenn nicht gar das Logischste zu sein. Egal, wo die Reise auch hinführte, egal, ob wir gerade abfuhren oder ankamen, in der nun vertrauten Fremde war es vor allem die Musik, die uns heimisch fühlen ließ. Auf solch einer Tour stellt das letzte Konzert immer etwas Besonderes dar. Zum Einen ist es ein musikalischer Abschied, ein Lebewohl, das man dem Publikum zuruft – stellvertretend für die Zuhörer aller vorangegangenen Konzerte. Zum Anderen ist es pure Konzentration und Kraft, Freude und Trauer, auf der Reise gesammelte Erfahrungen und Emotionen, gebündelt und freigesetzt in einem letzten großen Knall.

Ich glaube, für alle zu sprechen, wenn ich sage, dass es für diesen Abschied kein besseres Konzerthaus hätte sein können als das Banski Dvor in Banja Luka. Zwischen 1929 und 1932 erbaut, war es ursprünglich der Sitzungssaal für die politischen Vertreter der Region. Heute ist das Kulturzentrum Ort für Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und Filmvorführungen. Was die schlossähnliche Fassade von außen verspricht, wird in seinem Inneren mehr als erfüllt. Hohe, in Stuck gerahmte weiße Wände führen durch riesige Flügeltüren in ein Labyrinth aus Gängen und Räumen. Der Festsaal, umringt von einer mit Stuck verzierten Empore und erhellt von prachtvollen Kronleuchtern, strahlt nur so vor Eleganz. Massive und kunstvoll gestaltete Säulen runden das Bild ab. Wer den Kaisersaal in Erfurt kennt, der mag sich im Banski Dvor ein wenig daran erinnert gefühlt haben. Alle waren überwältigt von der Schönheit dieses Konzerthauses und freuten sich, hier am Abend das letzte Konzert geben zu dürfen.

Da sich das gesamte Orchester zur vormittäglichen Probe auf der großen Bühne versammelt hatte, nutzte Jens (Trompete; Organisator; Chef) die Gelegenheit, in einer kurzen aber ergreifenden Ansprache allen Beteiligten seinen Dank auszusprechen. Dieser galt nicht nur dem Orchester an sich, sondern speziell den Bosniern, die dieses wunderbar-wahnsinnige Projekt miterlebten, mitgestalteten und ihren Teil dazu beitrugen, dass es zu so einem Erfolg wurde. Denn dieser Erfolg war in den vergangenen Wochen deutlich sicht- und spürbar geworden; selbstverständlich auch in der Musik, vor allem aber im Zwischenmenschlichen. Sie alle sind über die Zeit Freunde geworden, lachten in den Proben über die selben Witzeleien, die gleichen Fehler, saßen beim Essen zwischen den Deutschen und die Deutschen zwischen ihnen und ließen uns über die gesamte Zeit ihre Gastfreundschaft spüren. Sie setzten sich für uns ein (Mostar: Freibier), halfen uns aus der Klemme (Sarajevo: Einbruch), übernahmen Verantwortung (Banja Luka: Vortrag) und zeigten uns stolz ihr Land auf eine Weise, wie wir es anders wohl nie kennengelernt hätten. Aus verschiedenen Nationen ist eine Einheit erwachsen, ein großes Orchester, … Freundschaft!

Und sie nahmen sich vor, am letzten Abend den Konzertsaal noch einmal richtig zu rocken! Florian und Kristin (beide Violine) legten bei Bachs Doppelviolinkonzert ein sportliches Tempo vor, welches vom Orchester prompt bedient wurde. Die Finger flogen nur so über das Griffbrett und mit all der Frische und Leichtigkeit der ersten Takte hatte man das Publikum im völlig besetzten Saal rasch auf seiner Seite. Die Akustik war brillant, die Solostimmen hoben sich gut aus der Begleitung heraus und die Bässe sorgten mit durchdringendem Ton für das musikalische Fortschreiten. Das Orchester war – ohne dass die Musiker übermäßig viel Druck in die Tonerzeugung legen mussten – bereits in dieser kleinen Besetzung so präsent, dass jetzt schon zu erahnen war, mit welcher Wucht das Fortissimo-Finale Tschaikowskis wohl über die Zuhörer hereinbrechen würde. Bis dahin war es allerdings noch ein langer Weg, … und ein phantastisches Konzert. Die STÜBAs spielten nicht einfach das Programm, sie lebten die Musik. Konzentriert und in reger Kommunikation mit dem Pultnachbarn einerseits sowie dem Dirigenten andererseits wies das Orchester jeder Passage seinen Platz im Ganzen zu, sodass man die Musik selbst dann verstehen musste, wenn man das Stück noch nicht kannte. Auch für uns, die wir das Programm nun schon so oft gehört hatten, gab es keine Minute, in der wir nicht wie gebannt auf die Bühne blickten, um uns von diesem riesigen Klangkörper mitreißen zu lassen. Von der Empore aus war gut zu beobachten, wie umfassend sich die Spielfreude auf das Publikum übertrug, um von hier direkt wieder auf die Bühne zurückgegeben zu werden. Die Menschen wiegten in den lyrischen Stellen ihren Körper von einer zur anderen Seite weich hin und her; in den dramatischen und konfliktgeladenen Passagen fieberten sie gespannt einer Lösung entgegen, um sich anschließend erleichtert in die Stuhllehne zurückzuwerfen – es war einfach atemberaubend; das beste Konzert.

Die stehenden Ovationen am Ende wurden bald mit A. Ljadows „Baba Yaga" besänftigt, welches bereits in den Konzerten zuvor als Zugabe fungiert hatte. Was danach aber folgte, war keine weitere Zugabe für das Publikum, sondern ein reines Geschenk an das Orchester. Unmittelbar nach dem abermaligen Applaus hoben die Blechbläser überraschend zu einem zauberhaft arrangierten „Ade nun zur guten Nacht“ an. Der Klang mischte sich in den noch verhallenden Applaus. Diejenigen im Orchester, die schon im Begriff waren, die Bühne zu verlassen, setzten sich – ahnungslos wie das Publikum selbst – zurück auf ihre Stühle und lauschten den verzückenden Stimmen der Bläser, wurden sich allmählich gewahr, dass diese zum Abschied und zum Danke spielten. Ich saß auf der Empore und erinnerte mich an Goražde, wo ich mich kurz vor der Probe an ein Pult der ersten Violinen setzte. Den Blick über die vielen Notenständer und Stühle entlang der verschiedenen Stimmgruppen hin zum Dirigentenpult schweifend, bekam ich dort für einen kurzen Moment den Hauch einer Vorstellung, welches Gefühl der Einheit, der Verbundenheit das Orchesterspiel auf jeden einzelnen Musiker ausstrahlen musste. Welche Gedanken, welche Emotionen durch diese wundervollen Töne nun im Orchester reiften, kann ich dennoch nur im Ansatz erahnen. Es reichte, damit Tränen flossen, im Orchester und unter den Helfern. Diesen Augenblick irgendjemandem zu beschreiben, ist unmöglich. All jene, die ihn erlebten, werden ihn nie vergessen!

Für den Abschiedsabend nach dem Konzert hatten die Bosnier für die gesamte Crew einen Klub reserviert. Als sich der Großteil zwischen halb und um zwölf davor versammelte, wurde schnell klar, dass dieser uns wohl kaum alle beherbergen kann. Auf der Suche nach einer anderen Möglichkeit landeten wir zunächst in der Hotelbar. Da diese allerdings kurz vor der abendlichen Schließung stand und das Personal sich strikt dagegen weigerte, Geld zu verdienen, organisierte Ozren (Cello) kurzerhand Tankstellenbier und alkoholfreie Getränke für eine unabhängige Feier im nahegelegenen Park. Der ausgelassenen Stimmung tat dieser spontane Wechsel keinerlei Abbruch. Für Live-Musik Unplugged sorgte zunächst Reza (Bass), bald begleitet von Albrecht auf der Violine und David (Schlagwerk) und seinen Steppschuhen. Es war der perfekte Ausklang des Abends, besser als jeder Klub und jede Kneipe. Wann die letzten angeregten Gespräche verebbten, kann ich nicht sagen. Gegen halb fünf zog es mich in mein Bett, belgeitet von Helge (Violine), der dafür Sorge trug, dass auch Robin (Schlagwerk) endlich den Weg ins Zimmer fand. Und seine letzten Worte klingen noch immer in meinem Ohr: „Das Bier hier heißt echt ‚Nektar‘. Das passt zu STÜBA.“

Dienstag, 4. Oktober 2011

Update

Ich weiß, ihr wartet alle schon gespannt auf die letzten Posts der Reise. Dank der unermüdlichen Arbeit von Nora während der Tour, die keine Gelegenheit ausgelassen hatte, mit der Minikamera das Geschehen in Bild und Ton festzuhalten, stehen uns nun ein paar kurze Videos zur Verfügung, die ich am Wochenende in die bereits bestehenden Posts eingepflegt habe. Vielen Dank an dieser Stelle auch an das Filmteam, das mir die Videos geschnitten und bearbeitet zur Verfügung gestellt hat. Es lohnt sich also, die alten Beiträge nochmals aufzurufen und vielleicht verkürzt dies ja auch die Zeit des Wartens, bis endlich auch der letzte Text seinen Weg in diesen Blog gefunden hat. Ja, der Alltag hat mich wieder, mit all seinen Rechten und Pflichten. Danke für eure Geduld!

Herzliche Grüße, Hannes...