Herzlich Willkommen

Hallo zusammen,
hier ist er nun, der STÜBA-Blog. Wir nehmen euch mit auf unsere Reise.

Es wird für uns überwältigend intensiv. Musikalische Glanzleistungen wechseln sich mit spassig, emotional und packenden Momenten ab...
und nebenbei entsteht auch noch der Dokumentarfilm "TRI.sonanz" über die Menschen in Bosnien und unsere Tour.


Dienstag, 27. September 2011

Montag, 19.09.2011 – Sarajevo und endlich mal ausschlafen!

Ach, wie war das herrlich, nach zwei Konzerten in der ferneren Umgebung keine Fahrt vor sich zu haben, die einem nicht nur morgens das Ausschlafen verdirbt, sondern abends auch eine Rückkehr zum Schlafplatz erst jenseits der nullten Stunde ermöglicht. Und so ein langer Tag schlaucht ungemein. Diesmal war es also anders und alle machten sich am Abend schon ganz wilde Pläne, was denn mit der freien Zeit am Vormittag so alles anzufangen sei. Die Folge war, dass viele trotzdem nicht ausschlafen wollten, um sich viel lieber die Stadt anzuschauen, die wir am Ankunftstag ja nur im Abendschein betrachten konnten. Aber freiwillig früh aufzustehen ist eben doch was anderes. Die Bandbreite an Ideen war vielfältig: Ein Aussichtspunkt oberhalb des großen Friedhofs, der einen wundervollen Blick über die gesamte Stadt gewährt; die zahlreichen Museen, Kirchen und Moscheen, die sich in der Altstadt dicht aneinanderdrängen und sehr gut zu Fuß erreichbar sind; oder aber die gemütlichen Cafés entlang der Ferhadija (der Fußgängerzone), um in Ruhe einen Kaffee zu trinken und sich – abseits des üblichen Frühstücks in der Jugendherberge – einfach ein Stück leckeren Kuchen zu bestellen. Letztlich nutzten viele von uns die freie Zeit auch für einen Ausflug zum sogenannten Tunnel of Hope, der sich fernab des Stadtzentrums unterhalb des Flughafenrollfeldes im Westen Sarajevos befindet. Er wurde im Jahr 1992 während der dreieinhalb Jahre andauernden Belagerung Sarajevos gebaut und war in dieser Zeit die einzige Verbindung der Stadt zur Außenwelt – Handels- und Versorgungsstraße für Lebensmittel, Medikamente aber auch Waffen und Munition. Ein Teil des Tunnels ist heute noch zu besichtigen.

Gegen Mittag schließlich zog das Wetter einen Schlussstrich unter jeden noch so liebevoll geschmiedeten Plan. Es goss wie aus Kannen, machte auch keine Anzeichen, in einem kurzen Schauer bald vorbeizuziehen und nahm uns dadurch jegliche Lust auf weitere Unternehmungen. Dies war jedoch auch nicht wirklich tragisch, denn ab 14Uhr sollte sich das Aufbauteam sowieso am Bosanski kulturni centar treffen, um die Bühne für die folgende Anspielprobe vorzubereiten. Um 15Uhr folgte das Orchester. Wesentlich schlimmer war es, sämtliche Podeste, Cases, Instrumente und Kleinkram über eine Strecke von etwa 100m durch den strömenden Regen zum Hintereingang des Konzerthauses zu tragen, denn direkt vor dem Haus war zwar ein Parkplatz, jedoch für Busse nicht befahrbar. Glücklicherweise kam fast das gesamte Orchester früher zur Probe und half uns, die Instrumente schnell ins Trockene zu bringen. Gerade die Pauken machten uns große Sorgen. Sie sind mit ihren Fellen nicht nur anfällig für Regen, sondern zugleich schlicht und einfach zu schwer, um sie über diese lange Strecke hinweg zu tragen, ohne sich für den nächsten Tag die Idee eines Bandscheibenvorfalls zuzuziehen. Andererseits war der Asphalt bereits so mit Pfützen übersät, dass die Rollen unterhalb der Pauken (denn man sollte sie im Normalfall schieben) förmlich im Wasser versunken wären. Also luden wir zunächst die Podeste aus und schnallten unter das letzte eigens für die Podeste konzipierte Rollen. Nun stellten wir zwei Pauken darauf, deckten sie mit Decken ab und konnten sie so zu dritt bequem die gesamte Strecke über schieben, ohne dass sie von oben oder von unten dem Wasser ausgesetzt waren. Zurück zum Bus konnte das Podest wie eine Art Skateboard benutzt werden und zwei Leute knieten sich auf die Seiten, um sich untereinander abwechselnd mit dem anderen Bein abzustoßen – ein riesen Spaß und effektiv zugleich.

Der Saal war riesig, erinnerte mit seinen über 800 mit rotem Stoff bezogenen Klappsitzen zunächst vielmehr an ein Kino und es verwunderte uns nicht, dass über die Hälfte der Plätze während des Konzertes frei blieben. Hierfür waren aber andere Gründe ausschlaggebend als beispielsweise in Mostar und Goražde, wo Flüsse die Städte in moslemischen und kroatischen Teil trennen und uns so zu den Konzerten nur Publikum einer der beiden Bevölkerungsgruppen bescherten. Sarajevo ist als Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas eine sehr kulturelle Stadt, was sich in einem breiten Kultur- und Freizeitangebot niederschlägt. Dies hat allerdings zur Folge, dass jede Veranstaltung in direkter Konkurrenz zu anderen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung steht, sei es Konzert, Vortrag, Lesung, Kino oder einfach nur dem schönen Abend in einem der vielen Cafés.
Und für ein klassisches Konzert würden die meisten Einheimischen wohl sowieso eher ins Nationaltheater gehen, um das Philharmonischen Orchester Sarajevo zu hören, als in das Bosanski kulturni centar, von dem – wie sich am Tag der Veranstaltung durch persönliche Einladung zum Konzert herausstellte – viele nicht einmal wussten, wo genau das ist. Wir hatten im Vorfeld der Tour versucht, das Konzert in Sarajevo im Nationaltheater spielen zu dürfen, um genau dieses Problem zu umgehen. Allein die Miete, die man für den Saal verlangte, ließ uns auf das Kulturzentrum ausweichen. Wenige Tage vor Konzert wurde uns zwar von offizieller Seite signalisiert, dass wir das Nationaltheater nun doch zu einem geringeren Preis mieten könnten, aber um noch umzuschwenken, war es jetzt mehr als zu spät. So freuten wir uns über die, die an diesem Abend den Weg zu uns gefunden hatten und missdeuteten auch das ein oder andere Handygespräch oder die Zigarette im Foyer mitten im Satz nicht als Zeichen des Desinteresses – es ist hier einfach Usus.

Nach dem Abbau (ohne Regen!) gingen wir alle gemeinsam noch in einen Studentenclub zur Salsa-Party. Man brauchte vorher nicht zu hören, dass hier auch Salsa-Tanzstunden gelehrt werden, man konnte es mit bloßem Auge live auf der Tanzfläche sehen. Während die meisten von uns nicht mehr an sich halten konnten und in die Mitte der Tanzfläche vorstießen, beobachtete ich das wilde Treiben vom oberen Rang aus. Es war einfach atemberaubend, wie wunderschön sich die vielen Paare auf der Tanzfläche bewegten, mit welchem Witz und welcher Freude. Wie in der Musik kommunizierte man hier ohne Sprache, tauschte Gefühle und Emotionen allein durch Bewegungen aus. Ich fühlte mich ein bisschen an die Jongleure und Ballkünstler in Ljubljana erinnert, die im Mondschein mit scheinbarer Leichtigkeit die Bewegung eines Balles oder Stockes auffingen, kompensierten und in einem neuen Impuls einfach an den Körper zurückgaben. Diese runde Bewegung im völligen Einklang mit sich und dem Körper, mit dem man sich gemeinsam bewegt, faszinierten mich. Und wie auch jetzt, in Sarajevo, waren sie dort Ausdruck davon, den Kopf einfach mal auszuschalten und tief in sich hinein zu hören.

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