Herzlich Willkommen

Hallo zusammen,
hier ist er nun, der STÜBA-Blog. Wir nehmen euch mit auf unsere Reise.

Es wird für uns überwältigend intensiv. Musikalische Glanzleistungen wechseln sich mit spassig, emotional und packenden Momenten ab...
und nebenbei entsteht auch noch der Dokumentarfilm "TRI.sonanz" über die Menschen in Bosnien und unsere Tour.


Mittwoch, 28. September 2011

Dienstag, 20.09.2011 – Banja Luka, wir kommen!

Kann ein Tag schöner beginnen als mit einem Konzert, vor allem, wenn man selbst nicht mitspielen muss? – Ja, kann er! Indem die Probe nicht zwei Stunden vor dem Konzert ausgerechnet in einem Zimmer abgehalten wird, in welchem man versucht, jede einzelne Minute des geliebten Schlafes auszukosten, die einem Morgen und Uhr noch zugestehen. Aber zwei der vier verrückten „Triolanisten“ (das konnte ich vorher nicht wissen) wohnten gut getarnt in meinem Zimmer und so wurde ich an jenem Morgen klassisch überstimmt. Nach dem Frühstück war es dann soweit und das Triolaquartett bestehend aus Matze (Bass; Solotriola), Björn (Violine; große Triola), Helge (Violine; schöne Triola) und Skupi (Cello; laute Triola) gab zur Freude des Publikums und zu Ehren unseres Häuptlings Jens (der zwei Tage zuvor Geburtstag hatte) ein Ständchen, dass als heimliche Ouvertüre dieser Reise gelten kann und eigentlich vor jedem Konzert hätte erklingen müssen: ein Konglomerat der eindringlichsten Stellen aus Brahms, Dukas und Tschaikowsky, zusammengehalten durch einen Hauch von Winnetou. Es war einfach zum Schießen komisch. Wer einen Eindruck davon bekommen möchte, welch Ekstase diese wenigen aber wohl gesetzten Töne in uns auslösten, dem sei das nebenstehende Video wärmstens ans Herz gelegt. Man beachte besonders die vortreffliche Passage in schiss-Moll (acht Kreuze) kurz vor Beginn des Finales – ein Siedepunkt der Spannung.

Nachdem sich die Massen beruhigt hatten, die Tränen trocken getupft und alle mit Namen versehenen Kuscheltiere eingesammelt waren, hieß es erneut Abschied nehmen, von Sarajevo und von Matze (Bass). Denn nach Laura (Violine), unserer Backup-Busfahrerin, die uns leider bereits nach dem ersten Tag in Sarajevo verlassen musste, rief die Pflicht nun auch Matze zurück ins Heimatland. Dieser Verlust riss vor allem in die Trapezgruppe der Bässe unheilbare Wunden. Weitere Tränen später schließlich begaben sich Busse und Wohnmobile auf den Weg nach Banja Luka, unserer letzten Station in Bosnien-Herzegowina. Da ich diesmal das große Privileg hatte, in einem der Busse mitfahren zu dürfen, kann ich zur gewählten Route keine genauere Auskunft geben. Für einen Blick aus der Seitenscheibe hat es allemal gereicht. Die Wolken hingen tief in den Baumwipfeln, hüllten die saftig-grün bewachsenen Berge in dichten Nebel und ließen irgendwo da draußen Umrisse kleiner Siedlungen erkennen, die heute die Grenze zwischen Erde und Himmel bildeten. Gemeinsam und doch jeder für sich starrten wir hinaus in die verregnete Landschaft, ließen sie vorbeirauschen und waren einen Augenblick lang allein mit uns und unseren Gedanken. Es war eine vertraute Ruhe, eine wunderschöne Melancholie, getragen von Erinnerungen an die vielen Erlebnisse, Freude, beisammen zu sein und verdrängter Gewissheit, dass diese Reise bald zu Ende geht. Und so genoss ich diesen Moment mit Musik von Sigur Rós, die über meine Kopfhörer strahlte und sah, wie sich allmählich die letzten Gebirgsausläufer in eine weite Ebene verwandelten – wir waren angekommen.

In Banja Luka selbst trauten wir unseren Augen kaum, als wir in einem Hotel mitten in der Stadt eincheckten. Nach Tagen in Studentenwohnheimen und einigen Duschen, in die man sich nur mit Badelatschen traute, stellte dies eine willkommene Abwechslung und perfekten Abschluss der Tour dar. Dabei war es eher Zufall, dass das Studentenwohnheim im Vorfeld nicht genügend freie Zimmer anbieten konnte und die Jugendherberge zu weit vom Konzertort entfernt lag, sodass wir auf diese Option ausweichen mussten (die Kosten für das Hotelzimmer lagen nicht viel höher als die der Jugendherberge). Nun hatten wir etwa 300m Fußweg zum Konzerthaus und genügend Zeit, die Stadt ein wenig zu erkunden. Banja Luka ist während des Bosnienkrieges glücklicherweise von Kämpfen verschont geblieben. Die Tatsache, dass die Stadt in den Kriegsjahren zu einem Zentrum bosnischer Serben innerhalb Bosnien-Herzegowinas avancierte, bewahrte sie davor. Dennoch ist eine Vielzahl älterer Gebäude aus den Zeiten osmanischer als auch österreichisch-ungarischer Herrschaft heute nicht mehr existent. Schuld sind einerseits die schweren Erdbeben, die diese Region ca. alle 60 Jahre heimsuchen (das letzte erst 1969), andererseits Sprengungen vieler römisch-katholischer sowie muslimischer Gotteshäuser durch bosnische Serben während des Krieges. Was heute noch das Stadtbild ziert oder wieder aufgebaut wurde, ist aber allemal eine Besichtigung wert.

Für den Abend war ursprünglich ein Vortrag des Bürgermeisters über Banja Luka geplant. Dass dieser kurzfristig absagte war letztlich das Beste, was uns passieren konnte. Denn so sprang Petar (Viola) ein, der – zwar unvorbereitet aber aus Banja Luka stammend – einen Vortrag aus dem Hut zauberte, der am Ende keine Fragen mehr offen ließ. Er drehte sich nur im ersten Moment kurz um die Geschichte Banja Lukas, die Lage, Bevölkerung und Besonderheiten der Stadt, wie ihn der Bürgermeister wahrscheinlich über die gesamte Stunde ausgedehnt hätte. Bald schon entwickelte sich daraus aber ein reges Gespräch zwischen allen Anwesenden, in dem wir erfuhren, wie das heutige Leben in Bosnien-Herzegowina aussieht, welche Entwicklung das Land seit dem Krieg genommen hat und welche Probleme für die Menschen bestehen. Vor allem aber ging es um die Sicht der Jugend auf ihr Land, ihre Situation, ihre Träume und Wünsche. Es war ein wahnsinnig intensiver Austausch, bei dem nicht nur Petar Rede und Antwort stand, sondern die anderen Bosnier in das Gespräch einstiegen, ihre Meinung einbrachten und uns so einen lebendigen Eindruck des wunderschönen aber noch etwas fragilen Bosnien-Herzegowinas gaben, das wir nun schon mehr als eine Woche lang durchreist hatten. Gegen halb elf wurden wir freundlich gebeten, endlich den Sitzungssaal im 4. Stock des Hotels zu verlassen, sonst hätten wir wohl noch die ganze Nacht gesessen.



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